13.09.2010
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Auch in diesem Jahr werden wieder viele Fotografen den Weg in unsere Lippestadt finden und 20 Motive in vorgegebener Reihenfolge ablichten.
Doch Moment... nicht alle haben sich in der Vergangenheit an die Regeln des Lippeverbands und der Volkshochschulen gehalten. Und es ist nicht zu erwarten, dass das in diesem Jahr besser wird. Es geht um Geld, es geht um die Teilnahme am großen Finale im kommenden Jahr, und es geht auch um ein kleines bisschen Ruhm und Ehre. Klar, dass da vereinzelt auch getricks wird, um die Chancen der eigenen Fotoserie zu erhöhen.
Auch in diesem Jahr erklären die Verantwortlichen der Fotoolympiade lautstark, sie hätten die Mogelei im Griff. "Wenn gemogelt wird, ist es vorbei" und "Wir merken alles" behauptet die Projektleitung und könnte genausogut erklären, dass sie das Lippewasser bergauf fließen lassen kann.
Denn leider ist die Jury der Fotoolympiade nicht in der Lage, ihr eigenes Regelwerk zu überprüfen! Eine wirksame "Dopingkontrolle" bei digitalen Fotos gibt es nicht. Schade nur, dass die Verantwortlichen dies trotzdem behaupten und dabei an Spielregeln festhalten, die weitreichende Manipulationen ermöglichen. Betrogen werden die ehrlichen Teilnehmenden nicht nur durch die schwarzen Schafe in den eigenen Reihen; betrogen werden sie auch durch die falschen Versprechungen des Veranstalters, der behauptet, er hätte alles im Griff.
Bei der Fotoolympiade geht es darum, 20 Themen in vorgegebener Reihenfolge zu fotografieren. Eine scheinbare Kontrolle über den Aufnahmezeitpunkt eines Digitalfotos hat man z.B. über die Dateieigenschaften oder die sogenannten EXIF-Daten, in denen die Kamera ihre Aufnahmeeinstellungen zu Belichtung, Blende, Datum, Uhrzeit und vielem mehr speichert.
Dass all diese Informationen nachträglich geändert oder gelöscht werden können, ist kein Geheimnis. Dafür muss man nicht einmal Geld ausgeben, denn schon mit kostenlosen Progrämmchen benötigt man nur wenige Mausklicks, um das Aufnahmedatum neu zu setzen - und zwar ohne dass es jemand nachträglich kontrollieren kann.
Hier das Beispiel eines Urlaubsfotos vom 11. April 2010:
Dieses Foto vom Victoria Memorial in Kolkata (Indien) trägt im Original den von der Kamera automatisch erzeugten Dateinamen DSC00957.JPG. Um den Anschein zu erwecken, das Foto sei zu einem anderen Zeitpunkt entstanden, muss zunächst die laufende Nummerierung (hier 00957) geändert werden, so dass sie in die Fotoserie passt. Anschließend kann man Aufnahme- und Dateidatum des Bildes neu setzen. Der ganze Änderungsvorgang dauert nur wenige Sekunden.
In der Abbildung oben sehen Sie, wie das Datum der Aufnahme mit dem kostenlosen Program XnView neu gesetzt werden kann. Dem Foto ist anschließend nicht mehr anzusehen, dass es eigentlich im April entstanden ist. Es zeigt stattdessen als Aufnahmedatum den Termin der Fotoolympiade am kommenden Wochenende. Ein Datum, das derzeit noch in der Zukunft liegt.
In der nächsten Abbildung sehen Sie Datum und Uhrzeit zweier Fotodateien, die dasselbe Bild enthalten. Eines ist das Original vom 11. April 2010, das andere die veränderte Fotodatei. Die hier gezeigten Informationen sind diejenigen, die eine Jury und jeder noch so intelligente EDV-Profi abfragen kann. Wer würde am Abend des 18.09.2010 noch behaupten wollen, das zweite Foto sei nicht am Tag der Fotoolympiade entstanden?
Wenn man sich nun noch die EXIF-Daten der Kameraeinstellungen der Aufnahme anzeigen lässt, sieht man auch hier das veränderte Aufnahmedatum. In der folgenden Abbildung sind die Daten von Original und Fälschung gezeigt; ganz unten in der Liste sind Datum und Uhrzeit aufgeführt.
Mit einem reichhaltigen Fundus an Fotografien aus Lünen ließe sich auf diese Weise sogar eine Fotoserie zusammenstellen, von der keine einzige Aufnahme am 18. September entstanden ist.
Ja.
Verantwortliche des Lippeverbandes bestätigen, dass sie jährlich etwa fünf Prozent der Teilnehmenden beim Mogeln erwischen. Zitat vom Sommer dieses Jahres: "(...) versuchen jährlich etwa zehn von 200 Teilnehmer zu mogeln."
Wenn schon fünf Prozent der Fotografen erwischt werden, weil sie sich nicht so gut mit den Möglichkeiten der Datenverarbeitung auskennen, wie viele Anwender mogeln dann wohl, ohne dass sie erwischt werden können? Kein einziger etwa?
Sicher nicht!
Der Verdacht, dass bei der Olympiade geschummelt wird, beschlich den Verfasser dieser Seiten erstmalig nach der Fotoolympiade 2009. Bei der Betrachtung unzähliger Fotoserien anderer Teilnehmenden konnte die ein oder andere Fotografie entdeckt werden, bei der die Tageszeit oder der Sonnenstand nicht zu passen schien oder gar Wolken ein Bild zierten, obwohl die Olympiade am schönsten Sonnentag stattfand.
Wiederholte Hinweise der Manipulationsmöglichkeit an die Lippeland-Verantwortlichen wurden nie kommentiert oder beantwortet. Hier also das große Schweigen, während in den Print- und Onlinemedien auch in diesem Jahr die Unfehlbarkeit der Prüfmethoden propagiert wird.
Mit der Möglichkeit, EXIF-Daten zu verändern, lassen sich bis zu einem gewissen Grad auch Bildbearbeitungen, Fotokorrekturen oder Fotomontagen vertuschen.
Zwar gibt es die Mittel der sogenannten digitalen Forensik, mit denen man derlei Manipulationen in vielen Fällen auf die Schliche kommen kann, doch diese sind umständlich, und wer sich gut auskennt, vertuscht vermutlich auch besser.
Man kann wohl auch nicht erwarten, dass in Zeiten knapper Kassen EDV-Spezialisten angeheuert werden, die bei Tausenden von Fotos eine umfangreichen Diagnose von Inhalten durchführen. Zumal für unterschiedliche Veränderungen am Bild auch unterschiedliche Verfahren angewandt werden müssen, um der eventuellen Manipulation auf die Schliche zu kommen. Und die ein oder andere gut gemachte Fotobearbeitung ist mitunter auch gar nicht zu entdecken, manchmal höchstens zu vermuten.
Im Regelfall gilt: Je geringfügiger die Manipulation, desto schwieriger ist sie zu entdecken.
Im Fall der Fotozeitpunkte kann man nachträglich keinen einzigen Beweis erbringen; leichte Veränderungen an Farben, Helligkeit und Kontrasten sind auch nur schwer zu ermitteln. Fotomontagen und Retuschen dagegen können mit komplizierten Methoden entdeckt werden - aber eben auch nicht immer ganz einfach.
Hier sehen Sie eine ganz schlichte Bildmanipulation:
Das erste Bild zeigt Ruinen des Rabdentse-Palasts im indischen Bundesstaat Sikkim. Auf dem zweiten Bild ist dasselbe Foto, allerdings mit einem Kind im Sprung von einem Mauerstück zu einem anderen, zu sehen.
Wie nun kommt man einer solchen Trickserei auf die Spur, wenn man nicht den direkten Vergleich mit dem Original hat? In der digitalen Bildforensik prüft man ein Bild unter anderem auf typische Abbildungsfehler oder -unregelmäßigkeiten, die bei der Fotoveränderung auftreten können. Hierfür wird das zu prüfende Bild unter Umständen nochmals verändert oder es wird eine leicht veränderte Kopie des Fotos mit der zu prüfenden Version verglichen. Je nach Methode können die bearbeiteten Bildbereiche dann z.B. besonders hervorgehoben erscheinen.
Zwei Varianten einer solchen Prüfung sind für den relevanten Ausschnitt unseres Beispielfotos hier abgebildet:
Nach einiger Arbeit mit dem Bildmaterial erkennt man Bereiche, in denen Veränderungen vorgenommen wurden. Tatsächlich ist das Foto mit Kind das Originalbild. Der sportliche Knabe wurde aus dem Bild entfernt, indem Teile des Himmels, des im Dunst liegenden Bergs sowie eines Zweiges darüberkopiert und zum Teil verwischt wurden.
Ob derartige Prüfmethoden bei den Fotos der Lippeland-Fotoolympiade zur Anwendung kommen, darf wohl bezweifelt werden. Aber selbst wenn es versucht wird: den Tricks mit der veränderten Fotoreihenfolge kommt man trotzdem nicht auf die Schliche.
Die Einhaltung der strengen Spielregeln kann leider niemand wirklich überprüfen,
weiß
Wolfgang Schmidt-Sielex
Zitate von Lippelandsprechern sind der Tages- und Internetpresse entnommen, so z.B. http://www.derwesten.de/staedte/dorsten/Foto-Olympiade-Kreativitaet-sticht-id3606242.html (Adresse aufgerufen am 13.09.2010)