Eine unheimliche Begegnung am Süßkramstand
16.10.2004
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Es mag an der Stadt selbst liegen, vielleicht aber auch an ihren Menschen. Möglich aber auch, dass die Dame, mit der ich sprach, gar keinen Bezug zu Lünen hat - außer dem einen, dass sie Süßigkeiten auf Lünens schönem Windvogelfest verkaufte.
Ich las das Schild: "Kandierte Mandeln; 100gr = 2,00€, 200gr = 3,50€", entschied dann, dem Wunsch der Kinder zu entsprechen und fingerte 3,50 Euro aus der Geldbörse.
"200 Gramm Mandeln bitte, aber in zwei Tüten", sagte
ich.
"Also zweimal 100 Gramm... Bitte sehr", war die Antwort
und die Tüten landeten auf dem gläsernen Tresen. Sie ahnen
es schon, oder? Doch zum Ausgang der Geschichte blieb mir das aufkommende
Lachen im Halse stecken.
Die Dame nimmt mein Geld, dreht sich nach hinten, dreht sich wieder
zurück und spricht: "Das macht aber vier Euro!"
"Oh", sag ich. "Hier steht aber: 200 Gramm kosten
3 Euro 50."
"Ach ja", sagt sie und dreht sich wieder um, stockt dann
und dreht sich doch wieder zu mir.
"Aber sie haben zwei mal 100 Gramm..."
"Ähm, ja. Das sind ja dann 200."
"So geht das aber nicht", sagt sie, "Wir machen das
doch extra so!"
"Soll ich nun für 200 Gramm vier Euro bezahlen?"
frag ich.
Schweigen - und ich bin verwirrt und ein bisschen beleidigt.
"Gut", sage ich, "dann nehme ich nur eine Tüte,
aber dann auch nur 100 Gramm."
Kurz entdecke ich einen Anflug von Enttäuschung auf dem Antlitz
dieser Dame. Dieser wird aber gleich abgelöst von einem Ausdruck
triumphaler Ideenskraft.
"Warten Sie", sagt sie. "Nehmen Sie doch eine große
Tüte für 3 Euro 50. Ich geb ihnen noch diese Papiertüte
mit, dann füllen Sie es selbst um."
Sprach's und gibt mir beides in die Hand.
Ich kann es nicht verhindern, beginne zunächst verwirrt zu lachen, sehe dann aber den freundlichen, ernsten Gesichtsausdruck vor mir und bin plötzlich entsetzt. Dann drehe ich mich um und schütte die Hälfte der großen Tüte in die kleinere.
"So etwas", denke ich, "passiert bestimmt nur hier... hier in Lünen."
W. Schmidt-Sielex